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Frankfurt
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Goldene Bulle: Die Vorderseite des Siegels zeigt Karl IV. auf dem Thron mit Reichsinsignien, begleited von Wappenschilden mit dem bömischen Löwen und dem Reichsadler. Auf der Rückseite des siegels ist die "Aurea Roma", die Fassade der Lateranbasilika, als Sinnbild Roms zu sehen. Quelle: Frankfurter Neue Presse vom 20.09.1999 Die wichtigsten Dokumente aus der über 1200-jährigen Geschichte unserer Stadt kommen selten ans Licht des Tages. Sie werden in den Stahlschränken des Stadtarchivs gehütet. Aber sie können Geschichten erzählen. FNP-Autor Michael Dellith stellt einige von ihnen in loser Folge vor. Frankfurt. Schon Goethe hat sie, wenn man seinen Erinnerungen in Dichtung und Wahrheit" Glauben schenken darf, in der Kindheit auswendig gelernt: die "Goldene Bulle", das wohl "kostbarste Stück Frankfurter historischer Überlieferung", wie es Dieter Rebentisch, der Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, formuliert. Und das, obwohl es sich "nur" um ein Kopie handelt. Das 86-seitige Pergament mit dem dicken Goldsiegel, das in einer Kapsel lateinisch: "bulla"- verwahrt wurde, war 1366 in der Kanzlei Kaiser Karls IV. abgefasst worden, als Abschrift des 1356 ausgefertigten lateinischen Originals. Der Kaiser (1316 bis 1378) - er gründet auch 1348 in Prag die erste deutsche Universität -besiegelte damit, ein Jahr nach seiner Krönung, die Vorrangstellung des mittelalterlichen Frankfurt im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation: Die Stadt wurde als Ort der Königswahl festgelegt. 1371 ließ der Rat die Urkunde ins Deutsche übersetzen. Das kostete die Stadtväter 6 Gulden. Dieses älteste, 1474 in Nürnberg gedruckte Grundgesetz des deutschen Reiches übertrug die Königswahl auf die drei geistlichen Kurfürsten, die Erzbischöfe von Mainz (Erzkanzler für Deutschland), Trier (Erzkanzler für Burgund) und Köln (Erzkanzler für Italien), und die vier weltlichen Kurfürsten, den König von Böhmen (Erzschenk), den Herzog von Sachsen (Erzmarschall), den Pfalzgrafen bei Rhein (Erztruchsess) und den Markgrafen von Brandenburg (Erzkämmerer). Frankfurt aber wurde durch diese Urkunde die wichtigste Reichsstadt und blieb es bis 1806 dem Ende des Kaiserreichs. Freilich war dies auch mit gestrengen Vorschriften verbunden: "Wir befehlen aber den Bürgern von Frankfurt und gebieten ihnen, dass sie kraft des Eides, den sie deshalb gemäß unserer Verordnung bei den Heiligen schwören müssen, alle Kurfürsten insgesamt und jeden einzelnen samt all ihren Leuten, die ein jeder von ihnen mit 200 Pferden in die Stadt gebracht hat, vor dem Angriff eines anderen (Kurfürsten), wenn zwischen ihnen eine Misshelligkeit entstehen sollte, wie auch sonst vor jedermann mit treuem Fleiß und ernstlicher Sorgfalt beschützen und behüten sollen; widrigenfalls machen sie sich des Meineids schuldig und sollen außerdem alle ihre Rechte, Freiheiten, Privilegien, Vergünstigungen und Gnaden, die sie vom Heiligen Reich bekanntlich empfangen haben, gänzlich verlieren und wegen ihrer Tat mit Leib und Gut insgesamt in Reichsacht verfallen; und es soll alsdann jedermann erlaubt sein, eigenmächtig und ohne Gerichtsurteil dieselben Bürger, die wir in diesem Fall jetzt und künftig für rechtlos erklären, als Verräter, Ungetreue und Empörer gegen das Reich ungestraft anzugreifen, dergestalt, dass der Angreifer weder von dem Heiligen Reich noch von sonst jemand irgendeine Strafe zu befürchten braucht." So steht es in dem Dokument zu lesen. Darüber hinaus sollten die Frankfurter Bürger während der Zeit der Wahl, niemanden in die Stadt lassen -Kurfürsten und ihre Gesandten natürlich ausgenommen. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die "Goldene Bulle", von der Frankfurts erster und berühmtester Buchdrucker und Verleger, Christian Egenolff ("Egenolffstraße", Nordend), eine deutsche Ausgabe verfertigte, zu einer Einnahmequelle der Stadt. So berichtet ein Begleiter des englischen Herzogs von Hamilton, der sich 1719 in Frankfurt die ,Goldene Bulle" anschaute, dass ein Besichtigungsgeld von einem Dukaten verlangt wurde. Keine Frage. In Frankfurt war man schon immer geschäftstüchtig. Nicht nur sehen, sondern gleich mitnehmen wollte das kostbare Dokument im Jahre 1796 der französische General Custin. Er verlangte nach der Besetzung Frankfurts die Herausgabe der "Goldenen Bulle". Sie sollte nach Paris gebracht werden. Der Frankfurter Rat hatte in weiser Voraussicht solcher Gefahr jedoch das Original vor der Besetzung der Stadt nach auswärts verlagert. Die "Goldene Bulle" blieb so Frankfurt erhalten. Gefahr drohte das nächste Mal von Adolf Hitler. Er legte 1938 der Stadt Frankfurt dringlich nahe, ihm die "Goldene Bulle" zu schenken. Schließlich gab er sich mit einer alten Abschrift zufrieden. Heute lagert sie in den Panzerschränken des Stadtarchivs im Karmeliterkloster.
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